Karsamstag in der Jerusalemer Grabeskirche: Blanke Nerven bei Kirchen, Gläubigen und Behörden

International
Patriarch Theophilos III. bringt das Kerzenlicht aus der Grabkapelle
Karsamstag, 23. April 2022: Auferstehungs-/Grabeskirche in Jerusalem: Zeremonie des «Heiligen Feuers»

Das «Heilige Feuer» ist für viele Christinnen und Christen der Höhepunkt der Ostertage. Über Zehntausend treffen sich in Jerusalem. Sicherheitsbedenken haben 2022 zu grossen Diskussionen geführt.

Über 11000 hätten sich vor Corona in der Anastasis zur Zeremonie des «Heiligen Feuers» am Karsamstag versammelt, nie sei es gefährlich gewesen, so betonen die Vertreter der Kirchen. Nach den über 40 Toten bei der Massenpanik am Har Meron im April 2021 wollten die israelischen Behörden nichts mehr riskieren und haben ohne grosse Rücksprache mit den Kirchen die Zahl der Teilnehmenden auf weniger als einen Zehntel früherer Jahre reduziert. Das Sicherheitsrisiko sei bei nur einem einzigen offenen Zugang zur Kirche viel zu gross. So die offizielle Begründung.

Das sei ein massiver Eingriff in die Religionsfreiheit, protestierten die Kirchenvertreter unisono. Nach intensiven Verhandlungen vor dem Obersten Gericht wurde schliesslich ein zweiter Zugang zur Grabeskirche geöffnet und 4000 Tickets für Armenier, Griechen, Kopten Russen und Syrer verteilt. So HaAretz Online am 23. April 2022.

Etliche Pilgergruppen, die nach dem Ende der Corona-Pandemie voller Begeisterung ins Heilige Land gereist waren, kamen nur bis zu den Absperrungen, die Polizei und Militär in den engen Strassen zum christlichen Viertel eingerichtet hatten. Enttäuschung, Wut und blanke Nerven führten zu wenig besinnlichen Szenen.

«Be at 8.30 at Zionsgate! And have some food and drinks with you.»

So schärfte mir mein armenischer Freund ein als er mir am Vorabend des verrückten Samstags eines der begehrten Tickets um den Hals gehängt hatte. Ich war überpünktlich und würde als «Armenier» einer überschaubaren Pilgergruppe zugeordnet. Dank Zugang zu Café und WC war das Warten im armenischen Viertel erträglich.

Punkt 11 Uhr setzten sich von dort die Pfadfindergruppen mit Trommeln, Dudelsäcken, Fahnen und dem obligaten Osterkerzenbündel in Bewegung. Wer es bis in die Grabeskirche geschafft hatte, wurde nun nach Badge in «Armenier», «Griechen» und «Russen» aufgeteilt. Als «Armenier» konnte ich lange Zeit in der oberen Kapelle im für den armenischen Patriarchenvertreter reservierten Abteil stehen.

Blanke Nerven und Schlägerei zwischen Russen- und Ukrainerfreunden

Von Minute zu Minuten füllte sich der Raum um die Grabkapelle, stoisch ruhig wachen zwei Armenier, zwei Griechen, ein Franziskaner über den seit 1847 festgelegten «Status Quo» am Eingang zum vor wenigen Jahren renovierten Grab Jesu. Die wie bei einer Hochzeit tanzenden und trommelnden griechisch-orthodoxen jungen Männer brachten sie nicht aus der Ruhe. Auch die von den Tänzern entrollte russische Fahne liess sie unberührt. Doch ringsum wurde es rasch lauter – Beifall oder Missfallen blieb unklar. «Wo bleibt die Ukraine?», murmelten ein paar in meiner Nähe. Als kurz eine ukrainische Fahne zu sehen war, kam es zur Schlägerei. Sicherheitsleute trennten die beiden Gruppen rasch.

Vom Logenplatz des Patriarchen mitten in die armenische Pilgergruppe

Einen halben Stock tiefer und nur mit einem seitlichen Blick auf die Grabkapelle wurde es für mich nun eng und enger, doch zahlten sich Standfestigkeit und Geduld aus. Dreimal umrundeten die Delegationen aus Priestern, Mönchen und Laien mit dem kleingewachsenen griechisch-orthodoxer Patriarchen Theophilos III. die Aedicula mit dem Grab Jesu. Erst als der Patriarch in der Grabkapelle verschwand, legte sich der Lärm ein wenig. Die armenischen Pilgerinnen neben mir versanken in Gebet und Meditation.

Feuerwehrmann in der Auferstehungs-/Grabeskirche in Jerusalem bei der Liturgie des «Heiligen Feuers» (Foto: Christoph Knoch, 23. April 2022)

Ohne Feuerzeug – aber mit Feuerwehr

Schliesslich geschah – wie alle Jahre – das Wunder und Theophilos trug das erste Kerzenbündel aus der Grabkapelle. Ein unbeschreiblicher Jubel folgt: «Christus anesti», «Mesih kam», «Christus woskrese» «Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!» Überwältigend, unvergesslich. Auch für den eher nüchternen protestantischen Beobachter. In Windeseile breiten sich das Licht der tausenden von Kerzen aus, der Rauch gefühlt noch schneller. Wie kämen erst 11000 Menschen mit ihren Kerzen lebend und atmend aus der Auferstehungskirche ans Tageslicht? Es hiess, 2022 seien «nur» 6000 dabei gewesen. Der grosse, freundlich blickende Feuerwehrmann stellte fest, es sei wie alle Jahre, doch: «Dieses Jahre haben weder Kleider noch Haare Feuer gefangen.» Zum Glück!

Christoph Knoch, Jerusalem, 23. April 2022

Weitere Bilder: http://jalbum.net/a/2043261

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