Begegnung mit einem Humanisten mit grossem Herzen

International, National
Prof. Sauca (links) mit dem Präsidenten der AKB, Pfarrer Christoph Knoch | Bild: Anne Durrer

Am 28. Juni 2023 war Ioan Sauca, «Pensionär» des Ökumenischen Rates der Kirchen, auf Einladung der AKB und der AGCK Schweiz im Haus der Religionen in Bern zu Gast. Er legte in lockerer Runde Zeugnis ab von dem, was er in den letzten 40 Jahren in der Ökumene erlebt und bewirkt hat. Zeugnis eines Humanisten – «weder Manager noch Diplomat, sondern zutiefst Theologieprofessor» – mit einem grossen Herzen!

Die Krise als roter Faden
Man glaubt Ioan Sauca sofort, wenn er sagt, dass er sich nie um ein Amt beworben hat, sondern auf einen Ruf von oben reagiert hat, einen Ruf, sich in den Dienst zu stellen:

  • des Ökumenischen Instituts von Bossey, das sich in einer schweren Krise befand. Er nutzt die Gelegenheit, um den Schweizer Kirchen für ihre Unterstützung dieses einzigartigen Ausbildungsinstituts zu danken. In Bossey erleben die Studierenden, die aus aller Welt kommen, um sich in Ökumene aus- und weiterzubilden, eine Art «Elektroschocktherapie» auf ihrer Reise durch die Entdeckung anderer christlicher Traditionen. Jede und jeder leitet auf seine Weise die täglichen gemeinsamen Gottesdienste und versucht, die anderen ins  Feiern zu integrieren. Einige Aspekte im Zusammenhang mit der Inkulturation des Christentums können sehr verwirrend oder sogar schockierend sein: Tanzen beim Singen oder Beten, Beten für die Verstorbenen. Man kann sich jedoch nicht als «ökumenisch» bezeichnen, wer für sich das Recht in Anspruch nimmt, über die Theologie anderer zu urteilen: «Wir wissen nicht, wer ins Himmelreich kommen wird. Lassen wir Gott darüber richten! Wir alle beten zu unserem Vater, also sind wir alle Brüder und Schwestern in der Menschheit. Die Liebe Gottes zur Welt hat in Jesus Christus Fleisch angenommen. «Theologisch gesehen bin ich gezwungen», betont P. Sauca, «alle Menschen als Brüder und Schwestern im Fleisch zu sehen. Wir haben gemeinsame Werte, wir haben gemeinsame theologische Grundlagen – das Wort Gottes, aber auch die Kirchenväter, die auch Calvin und Luther inspirierten – die Frage ist, was wir auf der Grundlage dieser Werte gemeinsam aufbauen können. Wir geben unsere Identität nicht auf, sondern arbeiten daran, gemeinsam eine gerechtere Welt aufzubauen»;
  • des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) als Interims-Generalsekretär für einige Monate, die zu drei Jahren wurden. Während seiner Amtszeit erlebte die Welt eine nie da gewesene Krise – die Pandemie – die die Kirchen ebenso wie die Zivilgesellschaft auf der ganzen Welt betraf. Anschliessend folgte die Krise des Kriegs in der Ukraine, der auch ein Krieg zwischen zwei Kirchen ist.

Der Weg zur Versöhnung
Es war der ÖRK, der Ioan Sauca gebeten hatte, in die Ukraine und nach Moskau zu reisen. Dort wurde er von beiden Kirchenleitungen empfangen. In Bossey gibt es Studenten beider Kirchen, denen es trotz des Konflikts gelingt, gemeinsam zu singen und auf Einladung von Ioan Sauca anschliessend eine Pizza zu teilen. Wichtig war, dass beide am Krieg beteiligten Kirchen bei der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe präsent waren. Der ÖRK ist die einzige internationale Plattform, der mit beiden im Gespräch ist. [Mitglied sind derzeit NUR die Russen, die anderen haben einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt, darum keine ukrainische Delegation, sondern einfach anwesend!!] Für Ioan Sauca gibt es einen mystischen Aufruf, im Dialog zu sein (dia-logos), um sich dem zu widersetzen, was entzweit und Hass inspiriert (dia-bolos). Nelson Mandela war davon überzeugt, dass man mit seinem Feind reden müsse, wenn man Frieden schliessen wolle: «If you want to make peace with your enemy, you have to work with your enemy. Then he becomes your partner», zitiert er.

Die Orthodoxie in der ökumenischen Bewegung
Leider wird die Orthodoxie als eine Konfession unter anderen betrachtet: Die Orthodoxen bilden hingegen die östliche Christenheit, die heute als eine Art Anhängsel der – angeblich protestantisch inspirierten – ökumenischen Bewegung angesehen wird. Der erste Aufruf zum Dialog kam jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts vom Ökumenischen Patriarchen, dem nach der Gründung des Völkerbunds 1920 eine Enzyklika des Patriarchen folgte, in dem er die Gründung eines Kirchenbundes vorschlug. 1948 konnten nur vier orthodoxe Kirchen an der Gründung des ÖRK teilnehmen, da sich die anderen hinter dem Eisernen Vorhang befanden. 1961 traten die östlichen Kirchen dem ÖRK geschlossen bei, zwei traten einige Jahre später aus. Den Entscheidungen von 1948 wie von 1961standensowohl politische wie theologische Gründe im Hintergrund. Orthodoxe Würdenträger werden manchmal angefeindet, sich aus Sorge um die Einheit zu kompromittieren, und der Ökumenische Patriarch wird als Kollaborateur (des Westens) gebrandmarkt.

Die Ethik verdrängt die Theologie
Ökumene wurde ab den 1960er Jahren ins Leben der Kirchen integriert. Lehrstühle für ökumenische Theologie – die heute fast alle verschwunden sind – wurden eingerichtet, die Kirchen hatten Spezialisten und Beauftragte für Ökumene. Heute ist die Ökumene zu einer Abteilung «auswärtige Angelegenheiten» (oder Aussenbeziehungen) geworden, und die Kirchen beschäftigen sich vorrangig mit ihrer eigenen Identität. Das derzeit am meisten diskutierte Thema in ökumenischen Kreisen ist Homosexualität. Die Ethik hat damit die Theologie verdrängt. «Ethische Fragen sind viel trennender als theologische Fragen», betont Ioan Sauca.

Gemeinsam feiern
Die Gegenwart Christi im Brot ist ein Geheimnis. Die Probleme beginnen, sobald man versucht, das Geheimnis zu erklären. Es sind die unterschiedlichen philosophischen Auffassungen, die die Christenheit im Laufe der Geschichte gespalten haben. Dennoch: «Einheit ist Pflicht, keine Option», betont Ioan Sauca.

Ökumenische Feiern sind meist «aus der Luft gegriffen», sie folgen nicht einer Liturgie, die in einer Gemeinschaft verwurzelt ist. Es mangelt ihnen an Authentizität und sie wirken allzu oft wie eine Show, die die Herzen der Menschen nicht berührt; deshalb kommen sie oft nicht mehr an. Die Herausforderung besteht darin, die Herzen der Menschen zu erreichen, ohne den Inhalt des apostolischen Glaubens zu kompromittieren. Ioan Sauca ist der Ansicht, dass es zu vermeiden sei, liturgische Formen zu schaffen, die in keiner Tradition verwurzelt sind. Das führe nicht weiter. Es bleibt  Aufgabe der Pfarrpersonen, die Ökumene aus ihrem elitären Status herauszuführen, indem sie das ökumenische Feuer in ihren Gemeinden weitergeben. Ioan Sauca meint: «Das geht nur über Ausbildung, in allen Kirchen». Das letzte Wort hat also der Professor!

Anne Durrer, AGCK Schweiz

Webseite der AKB

v.l.n.r.: Marion Wittine, Ueli Burkhalter, Renate Dienst und Georgiana Huian | Bild: Christoph Knoch
Ein aufmerksames Publikum | Bild: Wolfgang Müller
Vor der Ikonenwand im Haus der Religionen | Bild: Christoph Knoch
Pr Georgiana Huian freut sich auf die Begegnung