Ioan Sauca blickt zurück

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Barbara Hallensleben und Ioan Sauca in der Aula Magna der Universität Fribourg am 23. Februar 2023 | © Christoph Knoch, Bern

Am 23. Februar hat P. Prof. Dr. Ioan Sauca, der langjährige Leiter des Ökumenischen Instituts Bossey bei Genf, auf Einladung von Barbara Hallensleben, der Leiterin des Ökumenischen Instituts der Universität Freiburg FR, ein Fazit seiner Genfer Zeit gezogen. Virtuelle Dankes- und Grussworte aus Rom, Antalya und Genf würdigten den Ökumeniker mit Leib und Seele, Gedanken und Beiträge von Studierenden aus Bossey, Einsiedeln und Fribourg überbrachten in der Aula Magna den Dank an den «Vater» vieler ökumenischer Begegnungen.

Den Reigen der virtuellen Würdigungen und überaus freundlichen Danksagungen eröffnete Kardinal Kurt Koch, der auf die intensiven Kontakte und Beziehungen zwischen Sauca und dem Einheitssekretariat hinwies und seine inspirierenden Beiträge zur akademischen Aus- und Weiterbildung von Studierenden aus aller Welt betonte.

Metropolit Job von Pisidien mit Sitz in Antalya/Türkei war lange Jahre in Gremien des ÖRK und im orthodoxen Institut von Chambésy/GE mit Ioan Sauca unterwegs und betonte die tiefe Verwurzelung des ehemaligen interimistischen Generalsekretärs des ÖRK in seiner orthodoxen Tradition und seine ökumenische Offenheit für Gespräch und Austausch über alle Grenzen hinweg.

Jerry Pillay, Generalsekretär des ÖRK, fasste das Wirken seines Vorgängers zusammen. Schon 1994 kam er als «Executive Secretary for Orthodox Studies and Relationship in Mission» zum ÖRK und wurde 1998 zum Professor für Missionswissenschaft und Ökumenische Theologie nach Bossey berufen. Von 2001 bis 2022 war er Direktor des Instituts. Es sei ihm gelungen, Bossey zu einem Ort des lebendigen Austauschs und einzigartigen Begegnungsorts zu entwickeln. Zu grossem Dank sei ihm die ökumenische Bewegung als interimistischer Generalsekretär des ÖRKs verpflichtet (2020-2022), insbesondere während der Zeit der Corona-Pandemie. Sein unermüdlicher Einsatz für die 11. Vollversammlung in Karlsruhe wird allen in Erinnerung bleiben.

 «Ich habe mich nie für einen Posten beworben. Ich wurde immer angefragt.» Ioan Sauca

Reise durch Höhen und Tiefen
Ioan Sauca nahm die Anwesenden mit auf eine Reise durch Höhen und Tiefen der Ökumene in den letzten knapp dreissig Jahren. Deutlich wurde, wie er mit seiner überaus menschlichen Art den entscheidenden Schritt in die Wege leiten konnte, um verfahrene Situationen zu lösen. «Haben Trommeln Platz in der Liturgie?» wurde nach der Vollversammlung von Canberra voller Entsetzen gefragt. «Ja, schaut in die Liturgie unserer äthiopisch-orthodoxen Mitchristen, die seit Jahren Mitglied des ÖRK sind. Priester und Diakone trommeln und tanzen mit Frauen und Laien und die Kirche lebt …», so seine Anregung. Darauf aufbauend liessen sich neue Brücken bauen.

Ihm und seiner zukunftsgerichteten Hoffnung war zu verdanken, dass er den Auftrag von Konrad Raiser, 1993-2003 Generalsekretär des ÖRK, angenommen hat, das während Jahren vernachlässigte Château de Bossey zu renovieren. Heute ist es ein wunderbarer Ort, eine Oase unweit von Genf, das von vielen für Seminare und Konferenzen genutzt wird. «Es ist uns so gelungen, die Jahresrechnungen meistens positiv abzuschliessen.» «Den christlichen Charakter des Ortes wollte ich dafür keinesfalls opfern. Auch das ist uns gelungen. Menschen anderer Religionen und nicht-religiös gebundene schätzen es, meine Haltung klar erkennen zu können.»

 25 Jahre «Vater» der Studierenden
«Ich bin wirklich stolz darauf, dass es uns gelungen ist, in Bossey eine Atmosphäre des lebendigen Austauschs zu schaffen.» Das Lernen im Gespräch, im schöpferischen Dialog neue Formen zu finden, neue Horizonte zu eröffnen über Kontinente und Konfessionen hinweg, das sei «Laboratorium Bossey» gelungen. «Ich war nicht Professor, Priester, Direktor, sondern für alle einfach «Father Ioan», der da ist – offen für alle.» Doch sei ihm in diesen Jahren mehr und mehr klar geworden, dass es nicht die Sprache der Konferenzen, nicht die Sprache der Ökumene-Spezialistinnen und Spezialisten ist, die die Kirche als ökumenisch-synodale Gemeinschaft vorwärtsbringt, sondern die Vielfalt der Glaubenserfahrungen, die nach Worten und Begriffen suchen. Es brauche eine neue Sprache, die verständlich ist für viele.

Während der 11. Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe wurde eine neue ökumenische Sprache erfahrbar in den gemeinsamen Gebeten, die aus unterschiedlichen Traditionen gespiesen wurden und doch alle verbunden hätten, so hält Ioan Sauca fest und fasst zusammen: «Kirche ist immer ökumenische Kirche. Sonst verfehlt sie Ziel und Aufgabe.» 

Handlungsreisender in Sachen Kirche
Trotz aller Schwierigkeiten während der Pandemie war es ganz essentiell, die Mitgliedskirchen zusammenzuhalten. Die Kommunikationsabteilung des ÖRK habe da einen enorm guten Job gemacht: «Ich bin stolz darauf, dass sie am 1. Februar 2023 mit dem ersten Preis von ‹Geneva Engage› für ihre weltweite Online-Präsenz ausgezeichnet worden ist.» Allerdings – und das wurde in «Karlsruhe» ganz deutlich – Begegnungen von Mensch-zu-Mensch sind unersetzbar. Sauca berichtete schliesslich von seinen zahlreichen Reisen. Erwähnt sei jene nach Israel und Palästina wo er von beiden Präsidenten empfangen und angehört worden war und sich mit lokalen Kirchenvertreter:innen getroffen hat. Zuhören und noch einmal Zuhören, aber auch Klartext reden, das gehöre immer dazu, in Russland, in der Ukraine, beim Vermitteln zwischen Kirchen und Konfessionen. «Trotz Trennungen und Spannungen, der Geist des Dialogs, der Liebe und der Gemeinschaft bleibt im Zentrum.» 

Interreligiöse Ebene
Unvergesslich sei für ihn das Votum von Prof. Azza Karam, Generalsekretärin von «Religions for Peace»: «I believe very firmly as a Muslim that Christ’s love was meant for me too». Ebenso die Gespräche mit den jüdischen Vertretern und Vertreterinnen für den interreligiösen Dialog.

Einheit der Kirche ist keine Option, sondern zentrale Aufgabe
«Der Ruf nach Einheit ist keine Option; sie ist ein Gebot und eine Berufung. Sie ist der zentrale Wunsch Christi und der Kern des Evangeliums. Ob uns das gefällt oder nicht. Sie ist keine altertümliche, imperialistische Ansicht; sie ist kein arrogantes Verlangen, die Welt gewaltsam zu vereinen, sondern ein spirituelles Streben, Gottes Schöpfung und Sein Volk in Harmonie und Koinonia zusammenzubringen.» «Trotz aller Unterschiede können Einheit und Koinonia auf dem Weg durch das gemeinsame Unterwegssein [syn-odos] und Dienen [diaconia] gestärkt werden.»

 Neue Sprache finden
Im Anschluss an seine lebendig und in weiten Teilen losgelöst vom Manuskript vorgetragenen Gedanken kamen junge Menschen aus Kenia, der Karibik, aus Einsiedeln und Fribourg und ein Vertreter des Ökumenischen Patriarchats zu Wort. Die Forderung von Sauca, die überkommene Begrifflichkeit neu zu formulieren und zu übersetzen, wurde sehr unterschiedlich versucht. Festhalten lässt sich: Ökumenische Begegnungen können einander die Augen öffnen, das Verständnis schaffen für die je anderen Wege zu und mit Gott.

Sauca und Hallensleben waren sich einig, dass Bossey, Chambésy und Fribourg als Orte des ökumenischen Lernens auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe erfüllen. Der Abend in der Aula Magna der Universität in Fribourg hat einmal mehr dazu beigetragen.

Christoph Knoch, Bern

Deutsche Texte (Quelle: Webseite des ÖRK)
P. Prof. Dr. Ioan Sauca | Kurt Cardinal Koch | Metropolit Job von Pisidien

Dokumentation: Youtube-Kanal des Ökumenischen Instituts UniFR

Ioan Sauca und Barbara Hallensleben | © Christoph Knoch, Bern
Prof. Dr. Barbara Hallensleben, UniFR | © Christoph Knoch, Bern
P. Prof. Dr. Ioan Sauca, Bossey/Genf | © Christoph Knoch, Bern
Jonas Aubert, Free Church Mouvement, Student in Fribourg | © Christoph Knoch, Bern
Ms. Eva Abel, Anglican Church of Kenya, Studentin in Bossey | © Christoph Knoch, Bern
Stefan Wilson, Presbyterian Church of Trinidad and Tobago, Student in Bossey | © Christoph Knoch, Bern
Vasileios Brentas, Ökumenisches Patriarchat, Student in Chambésy | © Christoph Knoch, Bern
Fr. Meinrad Hötzel, Benediktiner aus Einsiedeln | © Christoph Knoch, Bern
Joëlle Ruffieux et Joyce Wechsler, catholic and Free Church Member, came in diaologue to know each other during the introduction to ecumenism in their first year of studies | © Christoph Knoch, Bern