Friede sei mit Euch!
Am 2. April versammelten sich auf Einladung einer breiten Koalition aus politischen Parteien, Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Institutionen trotz beissender Kälte und Schneeflocken rund 10’000 Menschen auf dem Bundesplatz in Bern, um ein Ende des Krieges in der Ukraine zu fordern. Die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, Pfarrerin Rita Famos, sprach dort im Namen des Schweizerischen Rates der Religionen, der diese Friedenskundgebung unterstützte.
Frieden ist die Sehnsucht aller Menschen. Frieden auf Erden ist ein Ziel, das alle Religionen vereint, auch wenn die Wirklichkeit eine ganz andere ist. «Friede fällt nicht vom Himmel. Er muss mit Kraft, Mut und Hingabe erarbeitet, erhalten und verteidigt werden. Täglich. Überall. Von uns allen.» Rita Famos erinnert, dass 1959 die damalige Sowjetunion der UNO eine Statue des aus der Ukraine stammenden Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch schenkte. Sie stellt einen Mann dar, der sein Schwert zu einem Pflug umschweisst. Die Statue bezieht sich auf eine der bekanntesten biblischen Visionen vom Frieden, vom Propheten Jesaja:
«Und Gott wird für Recht sorgen zwischen den Nationen und vielen Völkern Recht sprechen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Keine Nation wird gegen eine andere das Schwert erheben, und das Kriegshandwerk werden sie nicht mehr lernen»
Jesaja 2,4
Mit dieser Statue wies die damalige Sowjetunion die UNO auf ihre übergeordnete Aufgabe der Friedensfördrung hin. Sie steht bis heute im Garten der UNO in New York.
Die Religionsgemeinschaften, vertreten durch Rita Famos, richten daher einen Appell an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin: «Nehmen Sie die prophetische Geste der damaligen sowjetischen Regierung zum Vorbild! Es steht in Ihrer Verantwortung und Möglichkeit, dass die Waffen niedergelegt und die Felder in der Ukraine und in Russland wieder gepflügt und besät werden können.» Sie appellieren an den Patriarchen von Moskau, Seine Eminenz Kyrill II: «Nehmen Sie Ihre Autorität wahr und setzen Sie sich beim Präsidenten dafür ein, dass unser prophetisches Erbe lebendig bleibt. Es gibt keine christliche Legitimation für diesen Krieg.»
Innerhalb unserer Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Schweiz, in der Ukraine, in Russland und auf der ganzen Welt gibt es viele Menschen, die sich als Friedensstifterinnen und Friedensstifter verstehen und betätigen. Wir sind verantwortlich, den Weg von Desmond Tutu, Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Shimon Peres, Malala Yousafzsai, Sophie Scholl und vielen anderen weiterzugehen. «Als Führungspersönlichkeiten von Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Schweiz setzen wir uns dafür ein, dass Religionen nicht weiter von Aggressoren missbraucht werden um Kriege zu rechtfertigen.»
«Wir alle, die wir heute hier versammelt sind, verstehen uns als Werkzeuge des Friedens. Werkzeuge, die Schwerter zu Pflugscharen schmieden. Denn wir wissen und erfahren es täglich schmerzhaft: Noch ist kein Friede auf Erden. Aber wir verlieren die Hoffnung nicht. Wir geben nicht auf. Wir wirken dort, wo wir können, für Friede und Gerechtigkeit.» Heute bedeutet dies auch, alle Menschen zu unterstützen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und in unser Land kommen, um Schutz zu suchen. «Und gemeinsam mit ihnen beten wir für alle, die zurückbleiben: Freunde, Väter, Mütter, Kinder, Ehemänner, Grosseltern.»
Die Kundgebung hatte auch eine politische Dimension. Die russische Invasion wird durch den Handel mit fossilen Energien finanziert. Der Krieg legt den Finger auf unsere Energieabhängigkeit. Fast 80% der russischen Rohstoffe werden von in der Schweiz ansässigen Unternehmen gehandelt. Auch einige Russen haben sich zu Wort gemeldet. Die Situation in den Familien und die von russisch-ukrainischen Paaren ist besonders schwierig geworden. Das Präsidium der AGCK.CH verurteilt die unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen, freut sich aber gleichzeitig über die gezeigte Gastfreundschaft gegenüber den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen.
Eine Stimme hat mich besonders berührt: «Wir haben uns diesen Krieg nicht ausgesucht, die russische Regierung macht uns zu Komplizen, ich bin dafür verantwortlich durch den simplen Fakt, dass ich Russin bin …»
Bericht: Anne Durrer, AGCK.CH
Legende des Bildes links, v.l.n.r
Pfarrer Jean-Luc Ziehli, Dr. Montassar BenMrad (Vize-Präsident SCR), Ralph Friedländer, Bischof Harald Rein (Präsident SCR), Pfarrerin Rita Famos, Pfarrer Abel Manoukian (Generalsekretär)
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