ÖRK-Generalsekretär zum gemeinsamen Datum für die Osterfeier

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Reverend Jerry Pillay, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen | © Albin Hillert, WCC

Interview mit Reverend Prof. Dr. Jerry Pillay, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen

Christliche Führungspersonen engagieren sich tatkräftig dafür, ein gemeinsames Datum für die Osterfeier zu finden. Was steht diesem Anliegen im Weg?
Rev. Prof. Dr. Jerry Pillay: Wir haben dankbar und voller Freude die Stimmen von Kirchenverantwortlichen und Theologinnen und Theologen vernommen, die sich im Sinne der christlichen Einheit für ein gemeinsames Osterdatum einsetzen. Erst kürzlich rief Papst Franziskus beim Abschluss der 58. Gebetswoche für die Einheit der Christen vor der Basilika Sankt Paul vor den Mauern alle Christinnen und Christen auf, entschlossen einen Schritt in Richtung eines gemeinsamen Termins für das Osterfest zu tun. Seine Allheiligkeit, der ökumenische Patriarch Bartholomäus, plädiert für eine angeregte Diskussion über ein gemeinsames Osterdatum. Ihre wichtigen Stellungnahmen zu dieser zentralen Frage wurde auch von anderen Kirchenverantwortlichen und Theologinnen und Theologen positiv aufgenommen. Die Erklärungen erfuhren weltweite Aufmerksamkeit, gerade weil sie die Auffassung christlicher Einheit widerspiegeln, die den Kern unserer Mission als Ökumenischer Rat der Kirchen ausmacht, die Auffassung, dass alle im auferstandenen Christus «eins seien» (Johannes 17,21).

In unseren Bemühungen für einen gemeinsamen Ostertermin begegnen wir in mindestens zwei Aspekten Herausforderungen und Schwierigkeiten. Erstens wurde das Osterdatum seit den Anfängen der Kirchengeschichte auf verschiedene Arten und nach verschiedenen Traditionen berechnet. 1582 kam die Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. hinzu und nun existieren parallel zwei Kalender, der julianische und der gregorianische. Dadurch fallen das östliche und das westliche Osterdatum selten auf denselben Tag. Zweitens – und das hat nicht weniger Bedeutung – müssen die Bedenken, die besonders, aber nicht ausschliesslich von unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern geäussert werden, sehr ernst genommen werden: Der Weg zur Einheit darf nicht zu neuen Spaltungen führen. Wir dürfen jene, die die Komplexität des Entscheidungsprozesses für ein gemeinsames Datum hervorheben, nicht falsch auffassen und denken, dass sie unsere gemeinsame Vision vernachlässigen. Ganz im Gegenteil, wir müssen ihre Bedenken, dass der Prozess für ein gemeinsames Datum auch wirklich alle Kirchen sowie ihre Traditionen und Berechnungsarten bei dieser Frage einbezieht, berücksichtigen.

Deswegen geht es bei der Frage um ein gemeinsames Osterdatum nicht einfach um eine technische Frage der Datumsberechnung und -festsetzung. Es geht auch um viele kirchliche und pastorale Aspekte.

Kann die Orthodoxe Kirche von Moskau im Falle einer Übereinkunft miteinbezogen werden?
Pillay: Wir dürfen uns nicht mit einer Lösung, die zum Ausschluss einer Kirche führt, zufriedengeben. Ein solches Ergebnis wäre genau das Gegenteil dessen, was wir erreichen wollen und worum es bei unserer Vision geht. Das Ziel des Ökumenischen Rates der Kirchen ist Einheit, nicht Spaltung. Unsere Vision für die Kirche ist inklusiv. Wenn man der Welt zeigen will, dass «alle eins sind», und ein Zeichen der Einheit setzen will, kann man niemanden ausschliessen. Daher sollten alle Kirchen an diesem wichtigen Gespräch und an den nötigen Prozessen zur Entscheidungsfindung teilnehmen.

Viele Menschen können nur schwer verstehen, warum christliche Menschen sich gerade über Ostern, die wichtigste Feier des christlichen Glaubens, uneinig sind. Was für ein Zeichen kann ein gemeinsames Datum in der heutigen Welt setzen und was würde es bedeuten?
Pillay: Das aktuelle Jahr 2025 ist eines der wenigen Jahren, in denen Christinnen und Christen aller Traditionen Ostern am gleichen Tag feiern, nämlich am 20. April. Dieser Anlass sollte den Bestrebungen nach einem gemeinsamen Osterdatum als Zeichen unserer Einheit im Glauben neuen Wind geben. Ein gemeinsames Osterdatum ist ein Zeichen dafür, dass Christinnen und Christen ihre Feste gemeinsam, nicht gegeneinander feiern. Bereits damals war ein gemeinsames Osterdatum ein Thema, da viele Kirchen damals verschiedene Daten und Berechnungsmethoden verwendeten. Wir dürfen ausserdem nicht vergessen, dass sich der ÖRK schon lange um ein gemeinsames Osterdatum bemüht.

Mit unserer Thematisierung dieser Kernfrage der ökumenischen Bewegung möchten wir die Bestrebungen nach einem gemeinsamen Datum für das Osterfest als zentrales und sichtbares Zeichen christlicher Einheit unterstützen.

Im März 1997 hielten der Ökumenische Rat der Kirchen und der Kirchenrat des Nahen Ostens in Aleppo, Syrien eine gemeinsame Konsultation ab und veröffentlichten eine Erklärung zu einem gemeinsamen Osterdatum («Towards a Common Date for Easter»). In dieser Erklärung hoben die Kirchen des Nahen Ostens hervor, wie wichtig es für sie sei, dass Minderheitskirchen in einer nicht-christlichen Umgebung Ostern an einem gemeinsamen Tag feiern könnten. Andere Kirchen betonten, dass wir die gegenwärtige Lage berücksichtigen sollten. In dieser sei ein gemeinsames Zeugnis der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, das zentrale Geheimnis unseres christlichen Glaubens, von besonderer Bedeutung. Das Thema wird voraussichtlich auch an der sechsten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung eingehend besprochen. Die Konferenz findet im Oktober dieses Jahres in Ägypten statt und beschäftigt sich mit dem Thema «Where Now for Visible Unity?» (Welche Weg nun zur sichtbaren Einheit?). Wir hoffen, dass das Jubiläumsjahr von Nizäa einen Impuls schafft, damit alle Christinnen und Christen in Zukunft Ostern gemeinsam feiern können.

Leicht gekürzte Fassung

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