Für eine realistische Einschätzung des Konzils von Nizäa in 325
Die Gedenkfeiern zum 1700. Jahrestag des ersten gesamtchristlichen Konzils sind in vollem Gange. Wenn man die jüngsten Kommentare liest, fällt einem die sehr grosse Vielfalt auf: Die verschiedenen aktuellen Wortmeldungen sagen viel mehr über die theologische und ökumenische Positionierung des Sprechers aus als über den tatsächlichen Inhalt des Textes des Symbols und die konkrete Realität des Konzilsereignisses selbst.
So betont Kardinal Kurt Koch, Leiter des Dikasteriums zur Förderung der Einheit im Vatikan, dass die Kirche im Jahr 325 seiner Meinung nach noch ungeteilt war; Martin Hoegger, reformierter Pfarrer und Dozent an der HET-Pro in Blonay-St.-Légier, den freikirchlichen Kreisen nah, betont die Bekräftigung der Göttlichkeit Christi, die seiner Meinung nach in der heutigen Kirche gefährdet ist; der Ökumenische Rat der Kirchen ÖRK betont den unruhigen Kontext der damaligen Zeit und das notwendige Zeugnis in der Welt; Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz, die stolz darauf ist, «dank der liberalen Theologie» an keine verbindliche Konfession gebunden zu sein, sieht darin den Vorläufer der individuellen und liberalen Freiheit, zu bekennen oder nicht zu bekennen. Wenig überraschend hält auch der Dekan der mit dem Kanton Freiburg verbundenen Theologischen Fakultät, Joachim Negel, die radikale Kritik an der konstantinischen Wende hin zu einer Reichskirche für «anachronistisch». Stattdessen will er aus den kulturellen, philosophischen, künstlerischen und akademischen Meisterwerken der 1700 Jahre währenden Verflechtung von Kirche und Staat Ressourcen schöpfen, um einer Welt in multiplen Krisen wieder ein spirituelles Fundament zu geben.
Im Gegensatz dazu wird man die Klarheit von Professor Gregor Emmenegger schätzen, der das Ereignis in den Kontext der Machtübernahme von Kaiser Konstantin über die Kirche stellt. Aber auch die Zurückhaltung der Professoren Christophe Chalamet aus Genf und Reinhold Bernhardt aus Basel, die die Debatte von parteipolitischen Scheuklappen befreien. Ebenso wie die kompromisslose theologisch-historische und philosophische Analyse des katholischen Theologen, Philosophen und Autors Urs Eigenmann.
Die Feststellung, dass es so viele Unterschiede gibt, muss uns alarmieren. Sie kann nur auf die Tatsache verweisen, dass die Ergebnisse dieses Konzils alles andere als eindeutig, einvernehmlich und nachhaltig waren.
Lesen Sie die Entwicklungen im Artikel von Serge Fornerod | Hier herunterladen (pdf)
